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Der Luisenhof – Alterssitz von Johann Wilhelm von Archenholz

Das Dorf Öjendorf wurde erstmalig 1224 urkundlich erwähnt. Es grenzt im Westen an Schiffbek, im Süden an Kirchsteinbek, im Osten an Oststeinbek und im Norden an Jenfeld. Mitte des 19. Jahrhunderts bestand das Dorf aus 7 Vollhufen, 2 Halbhufen, 6 Katen und 18 Instenstellen. Zu diesem Zeitpunkt zählte es 333 Einwohner. 1634 hatte die Einwohnerzahl 88 betragen, bis 1907 stieg sie auf 509, bis 1925 auf 687. Öjendorf war ein Haufendorf, das südlich des Schleemer Baches nahe der Einmündung des Jenfelder Baches lag.

Das bedeutendste Anwesen Öjendorfs war der Öjendorfer Hof, der ab 1857 Luisenhof genannt wurde. Er lag am Westrand des Dorfes, unmittelbar an der Grenze zu Schiffbek und am Schleemer Bach. Mitte des 19. Jahrhunderts umfasste das Gut zweieinhalb Hufen, eine Kate, eine Schmiede und eine Schäferei. Außerdem verfügte es seit 1762 über die Brauerei-Gerechtigkeit. Das im 19. Jahrhundert errichtete Gutshaus war zweigeschossig und wurde beiderseits von mehreren Wirtschaftsgebäuden gesäumt. In seinem Hauptgiebel befand sich eine Uhr, deren Glocke der Bevölkerung bis ins 20. Jahrhundert hinein zur zeitlichen Orientierung diente. Heutzutage ist alleine das parkartige Gutsgelände mit dem alten Baumbestand erhalten.

Ab Ende des 18. Jahrhunderts befand sich der Öjendorfer Hof im Besitz des weitgereisten aufklärerischen Schriftstellers und Verlegers Johann Wilhelm von Archenholz. 1809 siedelte er vollends hierher über, 1812 verstarb er hier. Archenholz wurde 1741 in der Nähe von Danzig geboren, stammte aus einer alten hannoverschen Offiziersfamilie und schlug zunächst auch selbst eine militärische Laufbahn in der preußischen Armee ein. Nach einer schweren Verwundung im Siebenjährigen Krieg wurde er 1763 entlassen. In den folgenden Jahren bereiste er zahlreiche europäische Länder, allein in England hielt er sich sechs Jahre lang auf. Während dieser Reisen begann er seine literarische Tätigkeit, die ihn zunehmend den Lebensunterhalt sicherte.  

Nachdem er sich 1780 bei einem Reitunfall in Rom eine dauerhafte Lähmung des Fußes zugezogen hatte, ließ er sich in Dresden nieder. Hier lernte er Friedrich Schiller und Georg Joachim Göschen kennen. Neben seiner Tätigkeit als Autor für wissenschaftliche Zeitschriften wurde er nun auch als Herausgeber aktiv: Ab 1782 gab er die erfolgreiche Monatsschrift „Litteratur- und Volkskunde“ bzw. „Neue Litteratur- und Volkskunde“ heraus. Viele Beiträge verfasste er selbst; andere stammten von Literaten aus ganz Europa, um deren Kontakt er sich auf seinen Reisen immer bemüht hatte.

Kurz nach der Heirat mit Sophie Friederike von Roksch im Jahre 1786 zog er nach Hamburg, da dort die Zensur weniger streng war. Nun veröffentlichte er seine Artikel auch nicht mehr anonym. Mit großer Begeisterung nahm er die französische Revolution auf. 1791 siedelte er gar mit seiner Familie nach Paris über und gründete die Zeitschrift Minerva, mit der der das deutsche Publikum über die Geschehnisse in Frankreich informieren wollte. Bereits im folgenden Jahr musste er das Land angesichts der politischen Lage wieder fluchtartig verlassen. Aufgrund einiger politischer Veröffentlichungen droht ihm die Hinrichtung.

Er kehrte nach Hamburg zurück und setzte hier die Herausgabe der Minerva fort. Dieses Journal, das monatlich in einer Auflage von bis zu 6.000 Exemplaren erschien und vor allem vom Bildungsbürgertum und liberalen Mitgliedern des Militärs gelesen wurde, bestand über seinen Tod hinaus bis ins Jahr 1858. Die einzelnen Ausgaben umfassten etwa 200 Seiten, es war sehr handlich und verfügte über ein schlichtes Layout ohne Bilder und Schmuckelemente. Der Inhalt bestand aus sachlichen, politischen Erörterungen, davon abgesetzten Kommentaren, detailgetreuen Kriegsberichten, historischen Abhandlungen über die Geschichte verschiedener Länder sowie einigen Literaturrezensionen und Gedichten.

Die Minerva zeugt von einem für die damalige Zeit erstaunlich modernen Presseverständnis: Archenholz war streng um Unparteilichkeit und die Trennung von Nachricht und Meinung bemüht. Dies wurde in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg zum Standard. Nach der altersbedingten Abgabe der Herausgeberschaft durch Archenholz im Jahr 1809 verlor die Politik in der Minerva deutlich an Bedeutung.

Neben seiner journalistischen und publizistischen Tätigkeit war Archenholz auch als Schriftsteller aktiv. Sein bekanntestes Werk ist die sehr anschauliche „Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutschland von 1756 bis 1763“, die 1791 erstmalig erschien. Aber auch seine Reiseberichte und die insgesamt 19-bändigen „Annalen der britischen Geschichte“ der Jahre 1788-1796 fanden ein großes Publikum.

Johann Wilhelm von Archenholz war nicht der einzige bedeutende Publizist, der im heutigen Billstedt gelebt hat. Einige Jahrzehnte zuvor hatte hier Hermann Heinrich Holle eine Zeitung begründet , die sich im 19. Jahrhundert zu einer der bedeutendsten Zeitungen Europas entwickeln sollte.

Sowohl an Archenholz als auch an Holle erinnern mittlerweile Straßen in Billstedt. Die Archenholzstraße verläuft unmittelbar an den alten Gutsgelände, die Hollestraße befindet sich hinter dem Kulturpalast. Ursprünglich befand sich hier eine Koppel, die zur Holleschen Stiftung gehörte. In den 1920er Jahren wurde sie von der Gemeinde für den Wohnungsbau erschlossen. Seitdem sind in Billstedt weitere Straßen hinzugekommen, die an bedeutende Publizisten erinnern oder aber im Bezug zum Druckgewerbe stehen, so der Julius-Campe-Weg und die Reclamstraße sowie die Druckerstraße, die Setzergasse, der Letternkamp und der Papyrusweg. Das alte Gutshaus des Luisenhofs

Das alte Gutshaus des Luisenhofs