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Hermann Heinrich Holle und der Hamburgische Correspondent

Hermann Heinrich Holle wurde 1680 in Nienburg an der Weser geboren. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts siedelte er nach Schiffbek über und eröffnete hier eine Druckerei. Ausschlaggebend für die Wahl des Standortes war zum einen, dass er hier frei von Zensur arbeiten konnte. Zum anderen verfügte er mit dem nahen Hamburg über einen großen Absatzmarkt.
Nachdem er zuvor bereits eine Bibel herausgegeben hatte, die fünf verschiedene Übersetzungen bot und den Zorn vieler Glaubenshüter auf sich zog, gründete er im Juni 1712 eine Zeitung. Diese trug zunächst den Titel „Aviso. Der Hollsteinische unpartheyische Correspondente. Durch Europa und andere Teile der Welt“ und wurde 1731 in „Stats- u. Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten“ umbenannt.
Die Nachfrage nach Zeitungen war damals bereits groß. 1618 war in Hamburg die erste gedruckte Zeitung erschienen. Ihr Vorläufer hatte in einem handgeschriebenen Blatt bestanden, das wöchentlich, im Rhythmus des Postverkehrs, an die Abonnenten versandt wurde. 1649 verfügte Hamburg bereits über sechs Wochenzeitungen, ein Jahr später erschien in Leipzig die erste Tageszeitung der Welt.
Anfangs handelte es sich bei dem Correspondenten um ein recht dürftiges Blättchen. Doch der Umstand, dass es nicht der zeitraubenden Vorzensur unterlag, entwickelte sich bald zu einem entscheidenden Vorteil auf dem Zeitungsmarkt, auf dem Aktualität eine zentrale Rolle spielt. Bald verfügte der Correspondent über eine Auflage von 2.000 Exemplaren, in der Druckerei waren 28 Gesellen beschäftigt.
Ende 1730 siedelte der Correspondent nach Hamburg über. Zugleich übergab Holle ihn aus gesundheitlichen Gründen in die Hände seines Schwiegersohns Georg Christian Grund, der den Betrieb bald zum erfolgreichsten Hamburger Verlag für Periodika ausbaute. Maßgeblichen Anteil hatte daran der Hamburgische Correspondent. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verfügte er über eine Auflage von 50.000 Exemplaren, von denen allein 4.000 für abgehende Schiffe bestimmt waren. Damit war der Correspondent die größte Zeitung Europas und übertraf sogar die Londoner Times. Die einzelnen Ausgaben umfassten dabei etwa sechs eng beschriebene Seiten. Seit 1721 brachte er als eine der ersten Zeitungen überhaupt auch Illustrationen.
Die Zensur während der Franzosenzeit schädigte dann jedoch nachhaltig die Popularität des Correspondenten. Hinzu kam die Konkurrenz durch andere Zeitungen, die in Leipzig, Berlin, Frankfurt am Main und München verlegt wurden. Doch auch so blieb er bis ins 20. Jahrhundert hinein ein bedeutendes Blatt. In den 1920er Jahren entwickelte sich der Correspondent zum Organ der Deutschen Volkspartei (DVP), ehe er 1934 wie die übrige freie Presse den Nationalsozialisten zum Opfer fiel.
In der ersten Ausgabe hatte Holle folgendes Programm formuliert: Der Corrspondent sollte sich nur um die „glaubhafftesten Nova oder Zeitungen“ bemühen und sie „concentrirt allhie beyeinander“ darbieten. Der Leser sollte „aus der verdrießlichen Verwirrung in mehrere Gewissheit“ gesetzt werden, alles geliefert werden, was zur Urteilsbildung notwendig ist, keine Information vorenthalten werden, interessengeleitete oder einseitige Berichterstattung vermieden werden.
Schnell gelang es Holle, ein umfangreiches Netz von Korrespondenten aufzubauen, die von den wichtigsten Orten Europas berichteten. 1731 machten sie mit 312 Mark fast ein Achtel der Gesamtkosten aus. 400 Mark entfielen auf die Redaktion, 560 Mark für das Papier, 104 Mark für Tinte, Heizung, Licht und ähnliches, 100 Mark für den Vertrieb und 300 Mark für das Druckprivileg. Damit blieb ein Gewinn von mehr als 4.000 Mark, ein Betrag, von dem man jedes Jahr zwei ansehnliche Hamburger Wohnhäuser hätte kaufen können.
Neben der Berichterstattung über die politischen und militärischen Ereignisse in aller Welt, die am Anfang der Ausgaben standen, fanden sich in der Zeitung auch Hintergrundberichte. Zu diesen gehörten Anhänge und Beilagen wie Gesetzesentwürfe und -texte, Verträge, Parlamentsreden, Friedensschlüsse und Petitionen. Außerdem fand schon früh der Gelehrte Artikel Eingang in den Correspondenten. In dieser Vorform des modernen Feuilletons zählte allein das Argument, nicht Rang oder Namen. Alles konnte der Kritik unterzogen werden, Bücher wurden mitunter scharf rezensiert, Theaterstücke kritisch besprochen.
Als Herrmann Heinrich Holle 1736 verstarb, vermachte er der Gemeinde Schiffbek das Haus, in dem er gewohnt und in dem sich seine Druckerei befunden hatte. Zugleich verfügte er, dass dort ein Schule eingerichtet werden sollte. Zu ihrem Unterhalt richtete er ein Legat ein, aus dem ein Lehrer bezahlt werden sollte. Dies war Schiffbeks erste Schule. Bis 1883 wurden hier die Kinder des Dorfs unterrichtet. Danach diente das Gebäude noch drei Jahrzehnte lang als Gemeindeverwaltung. Heutzutage steht das Haus nicht mehr; es wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgebrochen.