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Der Schiffbeker Weg – die tödlichste Straße Hamburgs?

Laut einer Statistik der Allianz-Versicherung, bei der die Zahl der Unfälle mit Personenschäden im Jahr 2024 ausgewertet wurden, war der Schiffbeker Weg mit 28 Unfällen die zehntgefährlichste Straße Hamburgs. An erster Stelle rangierte die Kieler Straße mit 59 Unfällen, die sich damit zugleich auch auf Bundesebene diesen Platz mit zwei Straßen in Frankfurt und Hannover teilte. Hinter der Kieler Straße folgten in Hamburg die Cuxhavener Straße mit 56 Unfällen, die Winsener Straße mit 35 Unfällen, die Bramfelder Chaussee mit 34 Unfällen, die Reeperbahn mit 31 Unfällen, die A1 in Wilhelmsburg sowie der Berner Heerweg mit jeweils 30 Unfällen und schließlich die Stresemannstraße sowie die Max-Brauer-Allee mit jeweils 29 Unfällen. Setzt man allerdings die Zahl der Unfälle zur Länge der Straße ins Verhältnis, so kommt man zu einem anderen Ergebnis. Dann liegt die Reeperbahn mit 15,5 Unfällen je Kilometer an erster Stelle gefolgt von der Max-Brauer-Allee mit 9,7, der Winsener Straße mit 9,2, der Stresemannstraße mit 8,8, dem Schiffbeker Weg mit 8,7, die Cuxhavener Straße mit 7,9, die Kieler Straße mit 7,8, die A1 in Wilhelmsburg mit 6,0, der Berner Heerweg mit 5,3 und die Bramfelder Chaussee mit 4,9. Schaut man auf die Zahl der Schwerverletzten, so schieben sich die Stresemannstraße mit fünf sowie die Kieler Straße mit vier weiter nach vorne.

Betrachtet man schließlich die Zahl der tödlich Verletzten, so war der Schiffbeker Weg im Jahr 2024 hamburgweit mit zwei Todesopfern der traurige Spitzenreiter vor der Cuxhavener Straße sowie der Bramfelder Chaussee mit jeweils einem. Und leider ist dies nicht ein einmaliges tragisches Ereignis, sondern eine Art Dauerzustand. So wurden in den Jahren 2014 bis 2023 nicht weniger als fünf weitere Menschen durch den Straßenverkehr auf dem Schiffbeker Weg getötet, so dass man wohl nicht ganz ohne Grund die Frage stellen kann, ob der Schiffbeker Weg die tödlichste Straße Hamburg, ja vielleicht sogar in der gesamten Bundesrepublik ist.

Im Einzelnen handelt es sich dabei um die folgenden Vorfälle: Im September 2014 geriet eine Radfahrerin unter einen LKW und verstarb noch vor Ort. Im Juni 2015 wurde ein 55-Jähriger bei einer Autopanne von einem anderen Fahrzeug angefahren und getötet. Im August 2019 wurde ein Kind von einem Linienbus überfahren und dabei tödlich verletzt. Im Juni 2020 wurde ein Radfahrer von einem LKW überrollt und verstarb noch an der Unfallstelle. Im November 2022 wurde ein 65-Jahriger von einem LKW erfasst und getötet. Im Juli 2024 wurde eine 37-jährige Frau abends von einem Ford Mustang amgefahren und tödlich verletzt. Und schließlich starb im August 2024 ein zweijähriger Junge, nachdem das Auto seiner Mutter von zwei Fahrzeugen gerammt worden war, die auf dem Schiffbeker Weg ein illegales Autorennen mit Geschwindigkeiten von bis zu 175 Stundenkilometern veranstaltet hatten, während seine Mutter sowie sein Zwillingsbruder schwer verletzt wurden.

Eine Anwohnerinitiative sowie die Geschichtswerkstatt Billstedt hatten daraufhin mit Unterschriftenaktionen für eine Entschärfung der Situation am Schiffbeker Weg geworben. Unter anderem wurde die bessere Sicherung der Fußgängerampeln, die häufig bei Rot überfahren werden, die Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer, der Rückbau auf zwei Fahrspuren sowie die Schaffung von gut und sicher befahrbaren Radwegen gefordert. Zum einen sind die Radwege schon seit langem in einem desolaten Zustand und eigentlich kaum als solche anzusprechen. So haben sie über weite Strecken lediglich eine Breite von etwa 50 Zentimetern, sie verlaufen unmittelbar neben der stark und von vielen LKWs befahrenen Straße, verschwenken oft und sind von zahlreichen Wurzeln aufgeworfen sowie von Pflanzen zugewuchert. Zum anderen stellt der Schiffbeker Weg eine beliebte Ausweichstrecke zur Autobahn A1 zwischen dem Autobahnkreuz Hamburg-Ost und dem Industriegebiet Billbrook dar, die insbesondere vom Schwerlastverkehr gerne genutzt wird. Staut es auf der Autobahn oder auf der Bundestraße B5, so fährt man schon für ein paar Minuten Zeitersparnis, die einem das Navigationssystem in Aussicht stellt, gerne über die vierspurige Trasse, die mitten durch ein Wohngebiet verläuft.

Im Sommer 2025 gab es dann einen Ortstermin, an dem neben mehreren Anwohnern auch der Polizeipräsident Falk Schnabel sowie der Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte Ralf Neubauer teilnahmen. Der Verkehrslärm war so stark, dass man sich kaum unterhalten konnte und sich schließlich in ein angrenzendes Geschäft zurückzog. Und dem Polizeipräsidenten war die Bestürzung angesichts der Situation am Schiffbeker Weg deutlich anzusehen.

In der Folge wurden zum einen an der Stelle, wo es zu dem letzten tödlichen Unfall gekommen war, in der Fahrbahnmitte niedrige Sperrlaschen aus Plastik montiert, um zu verhindern, dass hier weiterhin regelwidrig vom Sturmvogelweg nach links in den Schiffbeker Weg eingefahren oder aber vom Schiffbeker Weg nach links in diesen abgebogen wird. Bereits nach kurzer Zeit waren diese Laschen derart beschädigt, dass sie inzwischen wieder entfernt worden sind. An dieser Stelle sei einmal angemerkt, ob die gegenwärtige Verkehrsführung am Schiffbeker Weg nicht eigentlich allein darauf ausgerichtet ist, eine möglichst ungestörte Fahrt für den Durchgangsverkehr zu ermöglichen, und dadurch zugleich mitunter kilometerlange Umwege für die Bewohner und andere Anlieger erfordert, sofern diese sich an die geltenden Verkehrsregeln halten.

Zum anderen wurden vor kurzer Zeit die Radwege am Schiffbeker Weg entpflichtet. Das bedeutet, dass Radfahrer nun nicht mehr verpflichtet sind, diese zu nutzen, sondern stattdessen auch auf die Straße ausweichen dürfen. Angesichts des starken Verkehrsaufkommens gerade an schweren LKWs kann man sich eigentlich doch nur fragen, ob das ernst gemeint ist und ob man damit weitere Menschen in den Tod treiben will. Den Schiffbeker Weg mit dem Rad zu befahren, ist doch wohl kaum etwas anderes als ein lebensmüdes Unterfangen.

Es bleibt doch sehr zu hoffen, dass es das noch nicht gewesen ist. Ansonsten ist es wohl zum einen nur eine Frage der Zeit, bis es hier zum nächsten tödlichen Unfall kommt. Und zum anderen kann man dann wohl fest damit rechnen, dass der Schiffbeker Weg weiterhin im Ranking der gefährlichsten Straßen Hamburgs oder gar Deutschlands ganz vorne mitspielt.

Zugleich könnte man durch eine nachhaltige Befriedung der Straße aber nicht nur substanziell die Sicherheit und Lebensqualität für die vielen Menschen erhöhen, die am Schiffbeker Weg wohnen und gegenwärtig ganz erheblich unter dem Verkehrslärm, den Abgasen sowie den vom Straßenverkehr ausgehenden Gefahren leiden, sondern ein Rückbau und die Umgestaltung könnten auch einzahlen auf Bestrebungen, die im Billstedter Zentrum gegenwärtig im Gange sind, um die Attraktivität von Straßenräumen und die Situation von Anwohnern zu verbessern. An erster Stelle ist hier der vor wenigen Tagen fertiggestellte Bauabschnitt der Billstedter Hauptstraße zwischen Am alten Zoll und Hertelstieg zu nennen, der schon eine Ahnung davon vermittelt, wie viel Aufenthaltsqualität hier entstehen kann. Aber auch die Auswirkungen der vor Kurzem eingeführten Einbahnstraßenregelung im Gothaer Weg kann man nur als beeindruckend bezeichnen.

Die nächsten wichtigen und spannenden Projekte sind dann neben der Neugestaltung der Fußgängerzone, die sich im kommenden Jahr anschließen soll, sicherlich zum einen der Umbau des Abschnitts der Billstedter Hauptstraße an der Einmündung der Reclamstraße sowie der letzteren bis zur Abzweigung der Möllner Landstraße. Hier bleibt es sehr zu hoffen, dass man sich statt der ursprünglich geplanten Ampelkreuzungen für die unendlich gefälligeren Kreisverkehre entscheidet.

Des Weiteren entfaltet die bei der Fertigstellung des jüngsten Bauabschnitts der Billstedter Hauptstraße gepriesene Veloroute ja nur ihre Wirksamkeit, wenn sie Durchgängigkeit erlangt. Das betrifft aber nicht nur das bereits angesprochenen Stück im Bereich der Einmündung der Reclamstraße, sondern auch den Abschnitt von der Straße Am alten Zoll bis zur Abzweigung der Washingtonallee. Die mit Abstand schwierigste Aufgabe ist dabei zweifelsohne die Umgestaltung der Riesenkreuzung Billstedter Hauptstraße/Schiffbeker Weg/Moorfleeter Straße, für die neben einer Untertunnelung in nord-südlicher Richtung ein hier dann ebenfalls möglicher Kreisverkehr vorgeschlagen ist. Gerade hierhin könnte ein substanzieller Rückbau des Schiffbeker Wegs ganz unmittelbar ausstrahlen.

Schließlich sei an dieser Stelle auch abermals auf die schon lange geforderte und immer noch im Raume stehende Überdeckelung der Schnellstraße B5 im Bereich des Billstedter Zentrums zwischen Moorfleeter Straße und Spökelberg hingewiesen. Auch hierdurch könnte man eine der Wunden heilen, die Billstedt durch die Verkehrsplanung der 1960er und 1970 Jahre geschlagen worden sind, Lärm und Abgase ganz erheblich zurückdrängen, dem Stadtteil das Ufer seines namensgebenden Flusses zurückgeben und dort einen weiteren Ort mit ausgesprochen hoher Attraktivität schaffen, der sich ganz sicher auf das gesamte Billstedter Zentrum auswirken wird.