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Der Limes Saxoniae

Ende des 8. Jahrhunderts dehnte der fränkische König Karl der Große, der im Jahr 800 zum römischen Kaiser gekrönt wurde, sein Herrschaftsgebiet bis über die Elbe aus. In den von 772 bis 804 dauernden Sachsenkriegen unterwarf er den hier lebenden germanischen Stamm der Sachsen und siedelte sie anschließend in das Innere seines Reiches um. Das Gebiet nördlich der Elbe überließ er den Obodriten, einem slawischen Stamm, dessen Siedlungsgebiet bis dahin östlich des heutigen Sachsenwaldes gelegen hatte und von dem Karl bei seinem Kampf gegen die Sachsen unterstützt worden war. Nordalbingen, wie man das Gebiet auch nannte, sollte als Grenzmark gegen Angriffe der weiter nördlich wohnenden Dänen dienen.
Als die Dänen dann 808 in Nordalbingen einfielen, die Obodriten tributpflichtig machten und König Thrasko ermordeten, drangen die Franken erneut vor. Die Dänen zogen sich daraufhin bis hinter die Eider zurück und befestigten die Grenze mit dem noch heute erkennbaren Danewerk. Die Franken errichteten ihrerseits auf dem Esesfeld bei Itzehoe ein Kastell, das im Jahr 810 fertiggestellt wurde. Es lag strategisch günstig, denn von hier aus führten Heerstraßen nach Dithmarschen, Jütland und in das Gebiet der Slawen. Die Obodriten drängten man nun wieder in das Gebiet jenseits des Sachsenwaldes zurück und legten stattdessen ihrerseits Siedlungen an. Die zuvor verschleppten Sachsen ließ man zurückkehren. Unter anderem besiedelten sie auch die Urzelle Hamburgs, den Bereich am heutigen Speersort. Die befestigte Siedlung, die die  Obodriten dort zuvor errichtet hatten, wurde abgebrannt, ob von den sich zurückziehenden Slawen oder den vorrückenden Franken, lässt sich nicht sagen. Im Jahr 810 errichtete man hier die erste Kirche nördlich der Elbe.
Nach dem Tod Karls des Großen im Jahr 814 erzwang sein Nachfolger Ludwig der Fromme, dass Thraskos Sohn Ceadrag an der Herrschaft über die Obodriten beteiligt wird. Dies führte zunächst zum Abfall Slavomirs, der noch von Karl zum Nachfolger Thraskos ernannt worden war, und dann auch Ceadrags. Nacheinander verbündeten sie sich mit den Dänen. Slavomir, der zunächst gefangen worden war und dann anstelle von Ceadrag wieder als König eingesetzte werden sollte, starb 821 auf der Rückreise in sein Herrschaftsgebiet. Damit verloren die Franken die Kontrolle über ihren einstigen Verbündeten.
Um das Herrschaftsgebiet nördlich der Elbe abzusichern, ließ Ludwig daraufhin weitere befestigte Plätze anlegen. 822 wurde bei einem Elbübergang nahe dem heutigen Lauenburg die Ertheneburg fertiggestellt. Jeweils im Abstand von etwa 30 km schlossen sich im Norden der Sirksfelder Wallberg, die Nützschauer Schanze und die Belauburg bei Bornhöved an, wobei letztere umstritten ist. Möglicherweise handelt es sich bei ihr auch um eine slawische Burg. Falls es doch eine fränkisch-sächsische ist, so hätte sie das Herrschaftsgebiet der Franken schon nicht mehr gegen die Obodriten, sondern gegen die gleichfalls slawischen Wagrier abgesichert, die damals in Ostholstein lebten. Außerdem wurde in dieser Zeit auch Hamburgs Urzelle mit einer Befestigung, der Hammaburg, versehen. Und schließlich ist davon auszugehen, dass auch die Spökelburg in Schiffbek im Kontext dieser Befestigungsarbeiten gesehen werden muss.
Bei diesen Burganlagen handelte es sich um mehrere Meter hohe ringförmige Erdwälle, die zum Teil durch Spaltbohlen verstärkt waren und an ihrer Spitze von Palisaden gekrönt wurden. Am äußeren Wallfuß befand zudem häufig ein mit Wasser gefüllter Graben. Der Durchmesser betrug zum Teil mehr als 100 Meter. Gemein war diesen Burgen, dass es sich bei ihnen um Höhenburgen handelte und dass sie an wichtigen Verkehrswegen lagen. Die Slawen errichteten gleichfalls Burgen. Diese bestanden ebenfalls aus hohen ringförmigen Erdwällen und hatten ähnliche Durchmesser. Teils waren es Höhenburgen, teils aber auch Niederungsburgen, die in unwegsamem Gebiet angelegt worden waren. Beispiele für slawischen Burgen sind etwa der Pöppendorfer Ringwall, die Pansdorfer Burg und die Oldenburg bei Lehmrade.
Das durch die Ertheneburg, den Sirksfelder Wallberg, die Nütschauer Schanze und die Belauburg markierte Grenzgebiet bezeichnet man auch als Limes Saxoniae. Von der Belauburg erstreckte es sich weiter nach Norden bis zur Kieler Förde. Neben den Burgen wird es auch durch eine Ortsnamengrenze gekennzeichnet. Westlich des Limes trifft man auf sächsische Ortsnamen, östlich auf slawische. Als sächsisch gelten Ortsnamen die auf -stedt, -büttel, -bötel, -sen, -zen oder -sing enden, als slawische solche mit Endungen auf -au, -ow, -in oder -itz. Der Limes Saxoniae war keine durchgängige Befestigungsanlage, sondern ein Grenzgebiet, das neben den genannten Burgen durch unwegsame Gebiete, Wälder und eine geringe Siedlungsdichte gekennzeichnet wurde. Der genaue Verlauf ist bis heute umstritten.
Trotz der Befestigungen kam es immer wieder zu Überfällen durch die Slawen auf das fränkisch-sächsische Siedlungsgebiet. Auch Hamburg wurde wiederholt geplündert und verwüstet, zuletzt im Jahr 1072. Zum Teil wurde die Siedlungsgrenze auch nach Westen verschoben, etwa im Bereich der Linau und der Nütschauer Schanze und der Belauburg. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts setzte dann die deutsche Ostkolonisation ein. Gefördert von ihren Herrschern drangen Siedler aus den deutschen Territorien immer weiter in die slawischen Gebiete vor. Damit wurden die Befestigungen entlang des Limes Saxoniae überflüssig.
Gleichwohl sie seit vielen Jahrhunderten ungenutzt sind, sind die alten Befestigungsanlagen größtenteils noch immer gut erkennbar und geben ein beeindruckendes Zeugnis von dem damaligen Konflikt zwischen Sachsen und Slawen. Von der Hammaburg gibt es im Hamburg Museum ein sehr anschauliches Modell. Außerdem kann man am Speersort im Keller einer Bäckerei die Fundamente des Hamburger Bischofsturms anschauen. Er wurde um 1040 errichtet und gilt als das erste steinerne Gebäude Hamburgs.