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Industrie

 

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts, verstärkt ab dem letzten Viertel, entwickelte sich am Unterlauf der Bille auf Höhe des heutigen Hamburger Stadtteils Billstedt ein Industriegebiet. Dies geschah zunächst urwüchsig an beiden Ufern des Flusses: am Nordufer in der damals noch holsteinischen Gemeinde Schiffbek unterhalb des Geesthanges, am Südufer auf hamburgischem Gebiet entlang des Billwerder Billdeichs. Ab Beginn des 20. Jahrhunderts bemühte sich die Stadt Hamburg dann hier mit Aufhöhungsarbeiten sowie der Anlage von Kanälen, Bahnanlagen, Straßen, Lösch- und Ladeplätzen um die planmäßige Bereitstellung weiterer Gewerbeflächen.

 

Bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges entstand so ein Industriegebiet mit mehreren tausend Arbeitsplätzen. Auf Schiffbeker Seite waren die 1876 gegründete Farbholzmühle und die 1883 eröffnete Jutespinnerei und -weberei mit ihren bis zu 1.500 Beschäftigten die bedeutendsten Betriebe. In Billbrook, das 1912 zum eigenständigen Hamburger Stadtteil erhoben wurde, dominierten neben mehreren chemischen Fabriken eine Zinkhütte und das Metallwalzwerk mit seinem über 100 Meter hohen Zentralschornstein. In der Zwischenkriegszeit kamen dann unter anderem die noch heute ansässigen Unternehmen Still und Colgate-Palmolive hinzu.

 

Der Großteil der in den Fabriken tätigen Arbeiter ließ sich in der Gemeinde Schiffbek, die heute das Zentrum des Hamburger Stadtteils Billstedt bildet, nieder und verwandelte sie binnen kurzer Zeit vom Dorf zum Arbeiterquartier. Hatte der Ort 1871 lediglich 624 Einwohner verzeichnet, so waren es 1910 bereits annähernd 10.000

 

Um ihnen den Weg zur Arbeit zu erleichtern, errichteten die beiden Gemeinden Schiffbek und Billwerder im Jahre 1906 gemeinsam eine Fußgängerbrücke über die Bille, für die sich schnell die Bezeichnung „Stinkbüdelsgang“ einbürgerte. Doch nicht nur die Arbeiter machten sich in den Fabriken schmutzig, auch die Umwelt wurde in hohem Maße belastet. 1909 sprach man angesichts der absterbenden Vegetation am Geesthang von einer „Giftplage“, 1927 wandte sich der Betriebsrat der Jute direkt an den Reichsminister des Innern mit der Frage, wann er gedenke „der Schweinerei ein Ende zu machen“, und auch in den 1930er Jahren wurden wiederholt Klagen über gesundheitsschädliche Ausdünstungen laut.

 

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam es dann zu einer schleichenden Deindustrialisierung: 1958 schloss die Jute für immer ihre Pforten, einige Jahre später folgte die Farbholzmühle, und auch die Zinkhütte, das Metallwalzwerk und viele der chemischen Betriebe existieren heute nicht mehr.